Unser Kommentar und Fazit zu den im Jahr 2023 umgesetzten RadEntscheid-Maßnahmen

Anfang Dezember hat das Amt für Straßen und Verkehr (ASV) den “Sachstand zur Umsetzungsstrategie RadEntscheid – umgesetzte Maßnahmen 2023 und Planungen 2024” veröffentlicht. Der folgende Kommentar bezieht sich ausschließlich auf die umgesetzten Maßnahmen in 2023. 

Zuallererst ist zu erwähnen, dass sich das ASV in 2023 im 2. Jahr der selbst definierten dreijährigen Hochlaufphase zur Umsetzung des RadEntscheids befand. Die selbst gesteckten Ausbauziele sind noch geringer als in der Volllastphase aber immerhin schon ungefähr doppelt so hoch wie in 2022.

Ziel 1: Durchgängiges Netz

Aber sind diese Ziele denn nun erreicht worden? Und wie ist die Qualität der umgesetzten Maßnahmen?

Im Hallopark sind 780 m der bestehenden Rad- und Fußwege neu gebaut worden. Der Radweg wurde auf 3 m verbreitert und neu asphaltiert. Zwar wurde grundsätzlich kein neuer Radweg geschaffen, aber immerhin wurde der vorhandene auf einen guten Standard aufgewertet.  

Das Rommenhöller Gleis von der Veronikastraße bis zur Brücke der Anschlussstelle Essen-Süd zur A52 ist mit einem 3 m breiten Fuß- und Radweg ausgestattet (900 m lang). Wir kritisieren die zu geringe Breite des gemeinsamen Fuß- und Radwegs. Eine Trennung wäre die bessere Lösung gewesen. Konflikte zwischen Fußgängern und Radfahrer sind hier vorprogrammiert. 

Beim Grünzug Zangenstraße sind 400 m des zweiten Bauabschnitts von der Bottroper Straße, inkl. Querung dieser mit einer neuen Brücke, bis zum Berthold-Beitz-Boulevard fertig gestellt worden. Wir kritisieren auch hier erneut die zu geringe Breite und die fehlende Trennung von Fuß- und Radverkehr. Im Gegensatz zum Rommenhöller Gleis sogar ohne erkennbare Notwendigkeit mangelnder Platzverhältnisse. 

Der Grünzug Zangenstraße und das Rommenhöller Gleis sind willkommene Ergänzungen zum Radnetz in Essen, allerdings wurden beide Maßnahmen bereits vor Beschluss des RadEntscheids von Grün & Gruga geplant und ihre Umsetzung und Fertigungstellung fällt nun zufällig in den Umsetzungszeitraum des Radentscheids.  Da zudem die geschaffenen Wege weder auf dem Haupt- und Ergänzungsroutennetz (wäre Ziel 1) noch entlang einer Hauptstraße (wäre Ziel 4) liegen, ist es absurd, die Maßnahmen zu den Zielen des RadEntscheids zu zählen. Bei allen 3 genannten Maßnahmen ist zudem die Beleuchtung absolut nicht ausreichend.

Von den vom ASV geplanten und umgesetzten Maßnahmen ist u. E. nur die Erneuerung des Graitengraben (380 m) ernsthaft zum Ziel 1 zu zählen. 

Die Erneuerungen der Asphaltdecke auf den Abschnitten

  • Im Staat (300 m)
  • Schloßwiese (250 m)
  • Höntroper Str. (1000 m)
  • Eckenbergstr. (200 m)

stellen keine Schaffung von Radinfrastruktur im Sinne des RadEntscheids dar. Die Straßen werden hauptsächlich von Autos benutzt. Dies als Teil des RadEntscheids Ziel 1 zu deklarieren ist schlichtweg unzulässig und dreist.

Die Erneuerung und der Ausbau des Rad-/Fußwegs auf der Nordseite der Norbertstraße (Grugabad bis Fußgängerbrücke) wurde bereits 2022 angekündigt, aber 2023 leider nicht mehr umgesetzt. 

Die Erwähnung der Erneuerungen der kleinen Zu- bzw. Durchfahrten an der Pellmannstraße (100 m) und Lieversbank (80 m) zeigt indes klar, wie sehr das ASV nach jedem erdenklichem Asphaltmeter sucht, der für den RadEntscheid gezählt werden kann. Wir finden das armselig. Auch dort wurde der Ausbaustandard nicht verbessert oder gar eine Beleuchtung ergänzt.

Erfüllungsgrad: 60 % bzw. eigentlich 29 % (ohne Rommenhöller Gleis und Grünzug Zangenstr.)

Ziel 2: Kreuzungen sicher umbauen

Geplant war eine einzige Kreuzung umzubauen. Es wurde aber keine umgebaut.
0 % Erfüllungsgrad

Ziel 3a: Fahrradstraßen aufwerten

Die Fahrradstraße entlang der Altenessener Str. (1 km) wurde mit Fahrbahnmarkierungen und Beschilderung aufgewertet. Objektiv wurden damit 50 % der Zielvorgabe erfüllt. Theoretisch soll die durchgängige Vorfahrt der Fahrradstraße den Radverkehr beschleunigen und angenehmer machen. In Essen wird jedoch mit Radverkehr-Geldern auch der Kfz-Verkehr unterstützt. Seit der Eröffnung ist die neue Vorfahrtsstraße – weil für Autos uneingeschränkt freigegeben – auch für diese attraktiver, sodass der Radverkehr nun noch mehr im Kfz-Stau steht. Die Kreuzungen an beiden Enden sind zudem für Radfahrer nicht intuitiv zu benutzen. Die Kreuzung mit der Katzenbruchstraße entspricht nicht dem Leitfaden. 

Ziel 3b: Fahrradstraßen schaffen

Es wurde keine neue Fahrradstraße geschaffen. 2022 wurden mal 550 m Fahrradstraße entlang des Stauseebogens (Lelei bis Kampmannbrücke) angekündigt.

0 % Erfüllungsgrad

Ziel 3c: Fahrradzonen

Es wurde keine neue Fahrradzone geschaffen. 0 % Erfüllungsgrad

Ziel 4: Radwege an Hauptstraßen

 Die Radfahrstreifen entlang der Hyussenallee wurden in beiden Richtungen deutlich verbreitert und teilweise farblich markiert. Zudem sind bergauf (Richtung Rüttenscheid) im Abstand von 25 m kleine Baken aufgestellt worden.
Obwohl vermutlich kaum Aufwand in der Planung und Umsetzung notwendig war, ist diese Maßnahme wohl das Highlight des Jahres 2023 in Sachen Radverkehr in Essen.
Dennoch gibt es auch noch ein paar Unzulänglichkeiten: Die Baken schützen bei dem groß gewählten Abstand (25 m) nicht vor Befahren, Halten oder Beparken des Radstreifens durch motorisierte Verkehrsteilnehmer. 


(Fotos: M.Pietschmann, B.Rickmann, REE)

Ende 2022 wurde der Baubeginn für die Verbreitung des Radweges entlang der Wittenbergstraße (1 km) zwischen Stadtwaldplatz und Wittekindstraße angekündigt, das wurde aber in 2023 nicht umgesetzt. 

18 % Erfüllungsgrad

Ziel 6: Abstellanlagen

Sehr gut ist, dass 305 Abstellanlagen in Quartieren aufgestellt wurden (17 % mehr als geplant). Leider konnten nur etwa die Hälfte der geplanten Stellplätze für Lastenräder (11 statt 23) realisiert werden.
Genaue Ortsangaben, Anzahl und Qualität sind nicht bekannt, weswegen wir das nicht validieren können. Abstellanlagen in Parkhäusern oder an Bahnhöfen wurden gar nicht geschaffen. 

Ziel 7: Mobilitätswende konsequent und transparent fördern

Ausgewiesen wurde, dass ein Sachstandsbericht erstellt und die Dialogveranstaltung abgehalten wurde. Weitere Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit zum Thema RadEntscheid oder Verkehrswende haben wir ehrlich gesagt auch nicht wahrgenommen. Wenn man bedenkt, dass im ASV eine Vollzeitstelle für die Öffentlichkeitsarbeit geschaffen wurde, ist das doch eine sehr magere Leistungsbilanz. 

Fazit

Insgesamt fällt das Fazit für das Jahr 2023 ziemlich ernüchternd aus.

Die Verbreitung der Radwege entlang der Huyssenallee ist die einzige echte Verbesserung der Radwege die dem RadEntscheid zuzurechnen ist und dem Ratsbeschluss entspricht. 

Und dabei wurden lediglich ein paar Markierungen entfernt und versetzt, ein paar Abschnitte farblich markiert und eine Handvoll Baken aufgestellt. Das kann nicht viel gekostet haben, bringt jedoch sehr viel, weit mehr als die Erneuerung von Asphaltdecken in Anliegerstraßen am Stadtrand. 


Wir haben durch den Austausch mit dem ASV verstanden, dass Maßnahmen, die größere Eingriffe in die Infrastruktur darstellen, einen längeren planerischen Vorlauf brauchen. Die Früchte dieser Planungen werden wir somit wohl erst ab diesem oder nächstem Jahr sehen.
Aber warum gab es und gibt es keine weiteren Maßnahmen, die wie die Huyssenallee einfach und schnell umgesetzt werden? Ist der Verkehr auf der Huyssenallee durch die Halbierung der Fahrspuren für Kfz etwa zusammengebrochen? Warum nicht mal testweise eine Spur einer mehrspurigen Straße für ein paar Monate zu einer Fahrradspur umwidmen? Die Maßnahmen für die Etappe der Deutschlandtour durch Essen im letzten Jahr zeigten ja, dass die Verwaltung sehr wohl in der Lage ist, Teile der Straßeninfrastruktur kurzfristig ab- und wieder aufzubauen. 

Wir wünschen für die kommenden Jahre mehr Mut zu einfachen Lösungen für bessere Radinfrastruktur. 

Anzahl und Erfüllungsgrade nach unser Einschätzung im Überblick

Anzahl Erfüllungsgrad

AnzahlErfüllungsgrad
Ziel 1: Durchgängiges Netz2,46 km60%
(ohne Rommenh. Gleis & Grünzug Zangenstr.) 1,16 km29% 
Ziel 2: Kreuzungen sicher umbauen  0%
Ziel 3a: Fahrradstraßen aufwerten 1,0 km 50% 
Ziel 3c: Fahrradzonen 0%
Ziel 4: Radwege an Hauptstraßen 730 m 18%
Ziel 6: Abstellanlagen a) Parkhäuser 0%
b) Bahnhöfe 0% 
  c) Quartiere 305 117% 
  d) Lastenräder 11 50%


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