Die Verwaltung schreibt in der Vorlage „Vergleich von Fahrradstraße, Fahrradzone und Tempo-30-Zone”(0253/2024/6) zur Wirkung von Fahrradstraßen auf den Radverkehr: „Die Fahrradstraße ist eine Straße nur für den Radverkehr und Radfahren ist dort grundsätzlich komfortabel, schnell und sicher möglich.“

Dieser Satz stimmt nur in der Theorie. Für Essener Fahrradstraßen gilt er nicht, weil das Amt für Straßen und Verkehr weder die rechtlichen noch die empfohlenen Anforderungen an Fahrradstraßen berücksichtigt. Zum Beispiel widersprechen die pauschale Zulassung und die unzulässig hohen Anteile an Kraftfahrzeugen den Regelwerken. Das Gleiche gilt für die Ausrichtung und Gestaltung von Parkständen, die nicht den Vorgaben entsprechen und daher nicht geeignet sind, das Gefährdungspotential zu senken. Die weit überwiegende Mehrzahl der 80 Fahrradstraßen in Essen stellt keine einladende Radinfrastruktur dar, wo das Radfahren komfortabel, schnell und sicher möglich ist.

Mit großer Bestürzung lesen wir in der Vorlage nun, dass die Verwaltung das ohnehin ungenügende Umsetzungsniveau der Fahrradstraßen für zukünftig mögliche Fahrradzonen ohne Not nochmals niedriger ansetzt. Es ist daher absehbar, dass hier eine Infrastruktur entsteht, die weder zum Radfahren einlädt, noch geeignet ist, den Anteil des Radverkehrs im Sinne des beschlossenen Modalsplitziels zu steigern.

Wir fordern die Politik und die Verantwortlichen im Amt für Straßen und Verkehr deshalb dazu auf, zwei Punkte bei der Planung und Umsetzung von Fahrradstraßen und Fahrradzonen grundsätzlich zu berücksichtigen. 

Erstens müssen Fahrradstraßen und Fahrradzonen – abgesehen von den wenigen rechtlichen Unterschieden – möglichst gleichartig und gleichwertig gestaltet werden. Nur dann sind diese Führungsformen in der Praxis für die Radfahrenden und alle übrigen Verkehrsteilnehmenden zu erkennen und regelkonform und komfortabel zu benutzen.

Zweitens müssen Fahrradstraßen und Fahrradzonen nicht nur den rechtlichen Mindestanforderungen entsprechen, wie sie in der Straßenverkehrsordnung und den sie ergänzenden Verwaltungsvorschriften theoretisch definiert sind. Um im Alltagsverkehr eine positive Wirkung zu entfalten, müssen sie darüber hinaus auch eine Ausführungsqualität aufweisen, die das Radfahren sichtbar attraktiv und sicher macht.

Um Letzteres zu ermöglichen, fordern wir, dass die Verwaltung ihre Planung und Umsetzung von Fahrradstraßen und Fahrradzonen deshalb an vorhandenen Empfehlungen erfahrener Institutionen ausrichtet. Die Arbeitsgemeinschaft der fußgänger- und fahrradfreundlichen Städte, Gemeinden und Kreise in NRW e.V. (AGFS) ist eine solche Institution. Die Stadt Essen ist ein langjähriges Mitglied dieser Arbeitsgemeinschaft. Mit dem „AGFS Leitfaden Fahrradstraßen – Planungshinweise für die Praxis” liegt der Verwaltung eine professionelle und einfach anzuwendende Arbeitsgrundlage vor. Die dort detailliert formulierten Gestaltungslösungen lassen sich gleichermaßen für Fahrradstraßen und Fahrradzonen nutzen. 

Der genannte Leitfaden findet die ausdrückliche Zustimmung des RadEntscheids, des ADFC Essen e.V.  sowie der übrigen Essener Radverkehrsinitiativen. Er bildet eine ideale Basis für eine effektive und reibungslose Kooperation von Verwaltung, Politik und Stadtgesellschaft bei der gemeinsamen Entwicklung des Radverkehrs.

Wir würden uns sehr freuen, wenn sich das Amt für Straßen und Verkehr bei der Gestaltung von Radinfrastruktur sehr viel stärker an guten und anspruchsvollen Qualitätsstandards orientiert, damit sich die Investitionen in den Radverkehr auch verkehrspolitisch auszahlen.


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