Stellungnahme des RadEntscheids Essen
Die Stadtverwaltung hat zur Dialogveranstaltung im März den aktuellen Sachstandbericht 2023 zur Umsetzung des RadEntscheid vorgelegt. Zu den 2023 umgesetzten Maßnahmen hat sich der RadEntscheid bereits geäußert. Hier kommentieren wir nun die für 2024 vorgesehenen Planungs- und Baumaßnahmen und starten mit unserer Einschätzung zum Stand der Umsetzung des RadEntscheid in Essen 3 ½ Jahre nach dem Ratsbeschluss.
Einschätzung des RadEntscheid zum Stand der Umsetzung
5,7 km statt der im Ratsbeschluss zum RadEntscheid beschlossenen 25 km pro Jahr – geht die Umsetzung wie im Jahr 2023 weiter, dauert die Umsetzung des RadEntscheid noch gut 30 Jahre.
Wir erwarten von Oberbürgermeister Kufen und der CDU, dass sie hier Wort halten. Der OB muss die beschlussgemäße Umsetzung des Bürgerbegehrens endlich zur Chefsache machen. Die Erfüllungsgrade von teilweise 0% bei Knotenpunkten und Fahrradstraßen, oder nur 18% bei Radwegen an Hauptstraßen, sind im Ergebnis nicht akzeptabel. Insbesondere auch angesichts der zahlreichen Sicherheitsmängel, die die Analyse des Hauptroutennetzes im letzten Jahr ans Tageslicht gefördert hat, hat die Verwaltung hier eine Pflicht zu handeln.
Schulnote mangelhaft bis ungenügend.
Bei den Planungsmaßnahmen sind inzwischen zahlreiche, z. T. auch vielversprechende Maßnahmen in Arbeit. Das Problem: Es kommt bislang viel zu wenig auf der Straße an! Man muss befürchten, dass vieles wieder insbesondere von der CDU ausgebremst wird und am Ende in der Regel nur schlechte Kompromisse umgesetzt werden, die häufig überhaupt nicht dem entsprechen, was mit dem Bürgerbegehren 2020 vom Stadtrat beschlossen wurde, und oftmals auch nicht den Richtlinien, die als Stand der Technik quasi Gesetzescharakter haben und zwingend vorgeschrieben sind.
Politik und Verwaltung haben mit dem Ratsbeschluss zum RadEntscheid 2020 ein Versprechen abgeben. Wir fordern, dass dies auch eingehalten wird und der RadEntscheid entsprechend der Beschlüsse umgesetzt wird. Leider muss man 2024 – 3 1/2 Jahre nach dem Ratsbeschluss – immer noch fragen: „Hey Essen, wo bleiben die Radwege?“.
„Die Zielerreichung ist mangelhaft – sowohl im Hinblick auf das Tempo als auch auf die Qualität der umgesetzten Maßnahmen. Anders kann man es nicht ausdrücken. Es ist eine ‚Teamleistung‘ von Politik und Verwaltung – bei schwacher Führung durch den Oberbürgermeister.“
Gerade bei der CDU ist in den vergangenen Jahren stark der Eindruck aufgekommen, dass sie zwar immer wieder gerne behauptet, den RadEntscheid umzusetzen, dann aber bei konkreten Umsetzungsplanungen massiv auf der Bremse steht oder sogar Verhinderungspolitik betreibt. Es drängt sich zunehmend der Eindruck auf, es bestand hier nie wirklich der Wille, das, was man beschlossen hatte, auch umzusetzen. Eineinhalb Jahre vor der Kommunalwahl wäre es höchste Zeit zu zeigen, dass man vorhat, Wort zu halten. Wenn man es denn vorhat …
Planungsmaßnahmen 2024 im Detail
Vielversprechend
Heisinger Straße –lange ersehnt – es soll eine Verbindung vom Stadtwaldplatz nach Heisingen entstehen.
Altenessener Bahnhof – Lückenschluss – kurz, aber wichtig. Schön, wenn (vermutlich) eine Autospur bzw. Parkstreifen umgewidmet wird – oder ist der Plan, dafür Häuser abzureißen? Das sollte nicht der Ansatz sein.
Überfällig
Werdener Berge: Radweg von Velbert nach Bredeney – hier ist der Beschluss im Stadtrat im August 2020, also noch in der letzten Wahlperiode gefallen – es ist höchste Zeit, dass hier endlich ein zeitgemäßes Radwege-Angebot auf der Straße ankommt. Leider ist der Abschnitt von Werden zur Stadtgrenze Velbert erst in Vorplanung und eine Machbarkeitsstudie in Arbeit. Der Abschnitt nach Bredeney ist noch gar nicht aufgeführt.
Wittenbergstraße – positiv und lange gefordert – wir sind gespannt auf die bauliche Trennung an dieser Hauptverkehrsstraße, die neben dem Radverkehr auch der Rettungsdienst nutzen kann. Da noch nichts Genaueres bekannt ist, bleibt hier abzuwarten, wie das tatsächlich umgesetzt wird.
Bilanz zu den Planungsmaßnahmen 2024
Ziel 1: Durchgängiges Netz für den Alltagsradverkehr ausbauen
Hier findet sich im Sachstandsbericht nichts Neues.
Ziel 2: Kreuzungen sicher umbauen
Hier gibt es relevante Knotenpunkte, die angekündigt werden. Bei den ersten drei können Radfahrer*innen damit auch die Hoffnung verbinden, dass in Zukunft dort auch endlich Radverkehrsanlagen an diesen wichtigen Kreuzungspunkten und auf den daran liegenden Strecken entstehen werden.
- Grillo-/Segerothstraße,
- Frintroper-/Aktienstraße,
- Burggrafen-/Frillendorfer Straße und
- Knotenpunkt Europaplatz
Ziel 3: Fahrradstraßen und -zonen einrichten, Einbahnstraßen öffnen
Interessant wird die Umsetzung der ersten Fahrradzone(n) in Essen. Dies könnte dann in Rüttenscheid passieren. Kettwig hätte diese Chance schon vor einiger Zeit gehabt, aber dies ist am Widerstand der konservativen Lokalpolitik (CDU) gescheitert. Bedauerlich. Insbesondere, weil damit auch der überregional beliebte Ruhrtalweg in Kettwig weiterhin mangelhaft bleibt. Für das Tourismusgewerbe und auch den Einzelhandel ist das keine Hilfe.
Mit großer Bestürzung schauen wir auf eine Verwaltungsvorlage, in der das Amt für Straßen und Verkehr das ohnehin ungenügende Umsetzungsniveau der Fahrradstraßen für zukünftig mögliche Fahrradzonen ohne Not nochmals niedriger ansetzt. Es ist daher absehbar, dass hier eine Infrastruktur entsteht, die weder zum Radfahren einlädt, noch geeignet ist, den Anteil des Radverkehrs im Sinne des beschlossenen Modalsplitziels zu steigern.
Es ist erfreulich, wenn weitere Fahrradstraßen wie in Katernberg, Kettwig, Heisingen, Huttrop und dem Südostviertel neu geschaffen oder erneuert werden. Allein: Bei 80 Fahrradstraßen in Essen ist nicht ganz nachvollziehbar, warum nicht die bereits bestehenden Fahrradstraßen mit einem Update auf den aktuellen Standard gebracht werden. Davon brauchen wir deutlich mehr im kommenden Jahr. Wichtig ist hierbei aber, die Standards aus der einschlägigen Literatur wie z.B. dem Leitfaden der AGFS zu berücksichtigen, d.h. MIV-Durchgangsverkehr effektiv zu beschränken und tatsächlich den Vorrang für Radfahrer*innen durchzusetzen. Werden Fahrradstraßen weiter wie auf der RÜ und den meisten anderen Fahrradstraßen in Essen umgesetzt, kann man hier nur von Pseudo-Förderung von Radverkehr sprechen.
Ziel 4: Sichere Radwege an Hauptstraßen anlegen
Nord-Süd-Achse Positiv ist es, dass die Verwaltung sich hier an die Bredeneyer Straße zwischen Bredeney und Rüttenscheid wagen möchte und für das Nadelöhr Altenessen Bhf. an der Altenessener Straße (Bhf Altenessen bis Palmbuschweg) in südlicher Richtung eine Lösung angedacht ist. Für die Innenstadt könnte etwas mehr Phantasie und Orientierung an den tatsächlichen Bedürfnissen der Essener*innen nicht schaden. Das heißt z.B. eine bessere Verbindung von der Umweltspur in südliche Richtung und zum Hbf zu schaffen, die nicht über die steile Dellbrügge führt.
Generell wird es Zeit, am inneren City-Ring durchgehend zeitgemäße Radwege anzulegen, wie es erfreulicherweise auch das neue Leitbild für die Innenstadt vorschlägt, welches der Stadtrat im November beschlossen hat.
Bocholder Straße, Kompletterneuerung: Hier besteht die Chance, ein Zeichen zu setzen und eine Straße mit 2,5km Länge, auf der es bislang nur auf den ersten 500m Infrastruktur für den Radverkehr gibt, aufzuwerten und damit einen Riesenschritt für den Radverkehr in Bezirk 4 zu tun.
Ziel 5: Radwege durchgängig und einheitlich gestalten
Gerade die Detailvorgaben des RadEntscheid – rote Markierungen, bauliche Trennungen – finden sich auch 2024 nicht als selbstverständliche Standards in allen Planungen wieder. Die roten Markierungen in den Konflikt- und Kreuzungsbereichen auf dem Radfahrstreifen der Huyssenallee bilden eine löbliche Ausnahme.
Ziel 6: Fahrradabstellplätze ausbauen
Die zahlenmäßigen Vorhaben für 2024 bei Radabstellanlagen klingen gut. Über 1000 Fahrradstellplätze sollen in diesem Jahr geschaffen werden. Wir sind sehr gespannt, ob und vor allem wann die Realisierung gelingt. Fraglich ist auch, ob die Radabstellanlagen tatsächlich an den Ziel- und Quellpunkten des Radverkehrs installiert werden und vorrangig durch Umwidmung von PKW-Stellplätzen entstehen. Bislang entstanden sie oftmals nur da, “wo noch Platz ist”.
Es ist extrem wichtig, dass Ersatz für die Radstation am Hauptbahnhof geschaffen wird, die zum Ende des Jahres auslaufen wird.
Geplante Baumaßnahmen 2024 im Detail
Positiv ist sicher der geplante Ausbau der Grugatrasse, der auf Essens wichtigstem Radweg (und Gehweg) eine deutlich bessere Qualität für alle Nutzer*innen ermöglichen wird. Kritisch muss aber angemerkt werden, dass keine durchgehende Beleuchtung geplant ist. Das ist ein großer Mangel, da sie für Rad-Hauptrouten als Standard vorgeschrieben ist. Es wäre sehr wünschenswert, dass hier noch eine – naturschutzfreundliche – Lösung gefunden wird. Wir hoffen, dass der Ausbau – insbesondere die Asphaltierung – von der Messe/Gruga in Richtung RS1/Mülheim ebenfalls zeitnah folgt. Uns doch egal ob die Stadt oder der RVR das macht!!!1!!!
Verbindung Ruhrtalradweg – Panoramaradweg in Kettwig Auf dieser wichtigen Verbindung sollen leider nur Schutzstreifen entstehen. Es handelt sich hier um eine Radroute, die auch von Familien mit Kindern genutzt wird, für diese bieten “Schutzstreifen” leider keinen ausreichenden Schutz.
Kupferdreher Straße Ein Basisangebot ist hier überfällig, aber auch hier sollen nur Schutzstreifen entstehen.
Wittekindstraße Eine neue “Fahrradstraße” mit vielen, vielen neuen PKW-Parkplätzen.
Die Erneuerung der Geh- und Radwegverbindung von Überruhr in Richtung Steele weckt Hoffnungen, gibt es doch nach wie vor kein wirklich alltagstaugliches Angebot für Radfahrer*innen aus Überruhr. Dabei ist gerade Überruhr/Hinsel nur einen Steinwurf vom Mittelzentrum Steele entfernt in idealer Fahrradentfernung. Wir begrüßen daher den Vorschlag der Verwaltung, den vorhandenen, aber direkten “Fahrrad-Schleichweg” ordentlich auszubauen. Gerne mehr von solchen Planungen.
Bochumer Landstraße/Rodenseelstraße/Sachsenring
Leider v.a. eine autogerechte Planung, die nicht mehr zeitgemäß ist. Hier wird die Kapazität erhöht und zusätzlicher Autoverkehr induziert. Wieder eine Planung, die aus unserer Sicht im Widerspruch zu den städtischen Mobilitäts- und Klimaschutzzielen steht. Hier wird nur das absolut notwendigste für den Radverkehr getan. Die Rodenseelstraße bleibt eine gefährliche Zumutung für den Radverkehr und die Verbindung nach Wattenscheid lässt auch noch auf sich warten. Schade, eine weitere verpasste Chance.
Immelmannstraße/Huestraße Erneuerung Ampelanlage
Im Rahmen der Erneuerung der Ampelanlage an der Einmündung Immelmannstraße/Huestraße wird (bzw. wurde) der Verkehrsknoten für Radfahrende angepasst.
Leider eine Maßnahme, die praktisch keine Verbesserungen für den Radverkehr bringt. Schön, dass es jetzt da möglicherweise weniger Konflikte zwischen Fußgänger*innen und Radfahrer*innen gibt. Ebenfalls gut, wenn hier zumindest der Schulweg etwas sicherer für zufußgehende Schüler*innen wird. Als “Fahrradfreundlicher Umbau einer Kreuzung” ist die Maßnahme jedoch mehr als fragwürdig, da weiterhin keine direkte Fahrbeziehung zwischen Immelmannstraße und Ophoffpark ermöglicht wird. Es hat sich effektiv für Radfahrende eigentlich nichts verbessert an dieser Kreuzung. Wir verstehen, dass hier akuter Handlungsbedarf bestand. Bitte zumindest einen ordentlichen Ausbau in Aussicht stellen, denn der geplante (und zwischenzeitlich umgesetzte) Zustand ist für eine Kreuzung entlang der Radhauptroute absolut unangemessen.