Am kommenden Freitag, dem 26. August 2022, lädt der RadEntscheid alle Essener*innen zu einer großen Demonstration ein. Unter dem Motto »Hey Essen, wo bleiben die Radwege?« startet die Demonstration um 17:00 Uhr vor der Grugahalle, musikalisch unterstützt durch die Gruppe Sambakowski. Die rund vier Kilometer lange Route streift zahlreiche Problemstellen des Essener Radverkehrs. Die als Versammlung angemeldete Demonstration führt zu Fuß und durch die Polizei gesichert zum Hirschlandplatz und endet dort gegen 18:30 Uhr.
Mit dem Tag und dem Startpunkt der Route erinnert die Initiative an den Beschluss des Essener Stadtrates zum RadEntscheid im Jahr 2020. Das Ziel markiert den Sitz des für die Umsetzung zuständigen Amtes für Straßen und Verkehr. Mit der Demonstration kritisiert die Initiative zuvorderst die bislang unzureichende Umsetzung durch die Verwaltung. Sie adressiert darüber hinaus das fehlende Engagement aus der Politik für mehr und besseren Radverkehr in Essen sowie die Blockadehaltung bei konkreten Vorhaben aus den Bezirksvertretungen.
Vor zwei Jahren, am 26. August 2020 beschloss der Rat der Stadt Essen die Umsetzung der Ziele des RadEntscheid, was mit viel Freude begrüßt wurde und enorme Hoffnungen weckte. Die Zustimmung erfolgte mit großer Mehrheit und über viele Parteigrenzen hinweg. Vorausgegangen war dieser Entscheidung ein erfolgreiches Bürger*innenbegehren, für dessen Ziele in kürzester Zeit über 25.000 Menschen unterschrieben hatten. Die Unterschriften der Bürger*innen und der Ratsbeschluss durch die Politik bilden bis heute nicht nur ein starkes Signal für den Wunsch nach einer Mobilitätswende für unsere Stadt. Der RadEntscheid bedeutet ebenso einen eindeutigen und verbindlichen Arbeitsauftrag für die Verwaltung.
Zu diesem Auftrag zählt auch die jährliche Dokumentation des Umsetzungsstandes in einem schriftlichen Bericht und im Rahmen einer öffentlichen Dialogveranstaltung. In Ermangelung von Ergebnissen verzichtete die Verwaltung im Jahr 2021 kommentarlos auf die beschlossene Dokumentation und den öffentlichen Dialog. Erst knapp zwei Jahre nach der Beauftragung durch den Rat präsentierte das zuständige Amt für Straßen und Verkehr im Juni 2022 seine Arbeitsergebnisse und einen vagen Ausblick auf die kommenden Schritte. Der schriftliche Bericht dazu fehlt bis heute.
Die Qualität und das Tempo der Umsetzung sind ungenügend
Die Analyse des Umsetzungsstandes und der bisherigen Leistungen zeigen sehr deutlich, dass die Stadtverwaltung ihrem Auftrag – wenn überhaupt – nur ungenügend nachgekommen ist. Diese Einschätzung deckt sich mit einer Vielzahl von Stimmen, die gegenüber den Essener Radverkehrsinitiativen feststellen: Im Alltag der Menschen, die in Essen mit dem Rad fahren, kommt auch nach zwei Jahren RadEntscheid kaum eine Verbesserung an.
Die Verwaltung erklärt die verzögerte Umsetzung seit zwei Jahren mit dem Hinweis auf das fehlende Personal. Zum einen hat sich der Personalbestand aber längst erhöht und 12 von 28 Stellen sind besetzt. Zum anderen entwickelt die Leitungsebene offenbar keine Strategie, um diesem bekannten Problem zu begegnen. Darüber hinaus beweisen andere Städte, dass sich Radinfrastruktur – wie zum Beispiel Protected Bike Lanes – kurzfristig und flexibel errichten lässt. Warum ist das in Essen nicht möglich? Warum vergibt die Verwaltung einzelne Aufgabenstellungen nicht an externe Planungsbüros? Warum priorisiert das interne Projektmanagement das Thema Radinfrastruktur nicht stärker, obwohl die Stadt sich ein äußerst ehrgeiziges Modalsplit-Ziel gesetzt hat und den Radverkehr um 240 Prozent steigern will?
Der Stadt fehlen Ideen und der Öffentlichkeit fehlen Antworten
Weiterhin weigert sich die Verwaltung, die mit dem RadEntscheid fest beschlossenen Qualitäts- und Sicherheitsstandards einzuhalten. Das Amt für Straßen und Verkehr missachtet die definierte Breite von Radwegen und Radfahrstreifen. Es unterschlägt die Verpflichtung, diese Wege vor Befahren durch Kraftfahrzeuge zu schützen und verweigert die durch den Rat der Stadt Essen beschlossenen Maßnahmen zur Reduzierung des automobilen Durchgangsverkehrs in Fahrradstraßen. Mit Letzterem missachtet die Verwaltung sogar die für sie gültige Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung, die verlangt, Fahrradstraßen nur ausnahmsweise für den Kraftfahrzeugverkehr freizugeben. Von daher entsprechen selbst die wenigen realisierten Infrastrukturmaßnahmen nicht im entferntesten dem definierten Arbeitsauftrag.
Die Arbeitsergebnisse und das Arbeitstempo der Verwaltung genügen weder qualitativ noch quantitativ dem RadEntscheid. Die Initiative fordert von Oberbürgermeister Thomas Kufen und Verkehrsdezernentin Simone Raskob sowie von der Leitung im Amt für Straßen und Verkehr eine beschleunigte und den beschlossenen Standards entsprechende Realisierung des RadEntscheid. Gleichzeitig fordert sie von den Essener Parteien, die für den RadEntscheid gestimmt haben, mehr politischen Druck auf die Verwaltung auszuüben. Verwaltung und Politik, beide sind aufgefordert, sich engagierter für die Ziele einzusetzen, für die 25.000 Menschen im Jahr 2020 unterschrieben haben.
Der RadEntscheid Essen lädt alle Menschen herzlich ein, mit eigenen Plakaten und gut gelaunt an dieser Demonstration teilzunehmen und lautstark zu fragen: »Hey Essen, wo bleiben die Radwege?«