Leider müssen wir (auch) auf das Jahr 2024 mit großer Enttäuschung zurückblicken. Trotz großer Erwartungen war die Umsetzung des RadEntscheids nahezu eine Nullnummer. Hier ein Überblick, basierend auf dem kürzlich von der Stadt Essen veröffentlichten Sachstandsbericht:

Was wurde umgesetzt?

  • Eine Radverkehrsanlage wurde ausgebaut:
    • Norbertstraße (Nordseite, von Parkhaus bis Fußgängerbrücke, 650 m)
  • Zusätzlich wurden folgende Straßen, die zum Radwegenetz gehören, erneuert. Sie verfügen jedoch über keinerlei Radverkehrsanlagen. Wir sagen, Fahrbahnerneuerungen – zumal in solch homöopathischen Dosen – können niemals als Ziel “Durchgängiges Netz für den Alltagsradverkehr ausbauen” zählen. 
    • Bergerhauser Straße (200 m)
    • Eschenstraße (250 m)
    • Eckenbergstraße (200 m)
    • Schultenweg (500 m)
  • Weitere Maßnahmen, wie im Bereich Im Westerbruch, wurden begonnen.
(Abbildung: Erneuerte Radverkehrsanlage an der Norbertstraße / Heino Sahling)

Maßnahmen, die in Umsetzung sind:

  • Fahrradstraße Wittekindstraße
  • Radverkehrsanlage Norbertstraße (Südseite)
  • Grünzug Zangenstraße 2. BA Teil 2

Finanzierungssituation

Positiv hervorzuheben ist, dass die Finanzierung für den RadEntscheid gesichert ist. Die für 2024 angesetzten 19,51 Mio. Euro scheinen auskömmlich. Doch angesichts der wenigen umgesetzten Projekte stellt sich die berechtigte Frage: Wie viel dieser Mittel wurden überhaupt genutzt? Die Antwort scheint klar: Es kann sich nur um einen Bruchteil handeln. Dazu kommt, dass das ursprünglich in der Umsetzungsstrategie RadEntscheid von der Stadt geplante Budget für 2025 in Höhe von 30 Mio. im Haushalt 2025/26 auf 15 Mio. gekürzt wurde.

Versagen von Verwaltung und Politik

Die Stadt Essen beweist sich erneut als Ankündigungsweltmeister. Viel Gerede – wenig Konkretes auf der Straße:

  • Für das Jahr 2025 und insbesondere das 1. Quartal werden zahlreiche Planungsbeschlüsse angekündigt. Doch dieses Versprechen ist nichts Neues – seit Jahren hören wir ähnliche Ankündigungen, ohne dass wirkliche Fortschritte sichtbar sind.
  • Obwohl der Stadtrat den RadEntscheid 2020 mit großer Mehrheit beschlossen hat, fehlen konkrete Ergebnisse auf den Straßen.
  • Statt wie in anderen Städten dem Amt für Straßen und Verkehr mit einem Grundsatzbeschluss zum RadEntscheid freie Hand für den Radwegeausbau zu geben, bevorzugen CDU und OB Kufen (auch CDU) offensichtlich, die Planer an der kurzen Leine zu führen. Das Ergebnis ist Stillstand und eine äußerst dürftige Bilanz bei der vom Rat der Stadt Essen beschlossenen Steigerung des Radverkehrsanteils.

Es scheint, als hätten Oberbürgermeister Kufen und die CDU nach der letzten Wahl ihre Wahlversprechen vergessen. Damals wurde der RadEntscheid noch mit großen Worten gelobt und vor allem natürlich zusammen mit einer großen Ratsmehrheit von rund 80% der Mandate zum Beschluss der Stadt Essen gemacht, doch seit der Wiederwahl wurde die Umsetzung offenbar klammheimlich ausgebremst.

Ziele weiterhin nicht erreicht

(Quelle: Darstellung der Stadt Essen, Sachstand Umsetzungsstrategie RadEntscheid – umgesetzte Maßnahmen 2024 und Ausblick auf 2025/2026, S. 10)

Insbesondere bei den Kernzielen – wie dem Bau von Radwegen (Ziele 1, 3a-d und 4) – ist der Fortschritt als mangelhaft zu bewerten. Die Note für die Umsetzung 2024 daher: bestenfalls 5.

Und das Ziel 2?

Ins Auge fällt bei den eher durchwachsenen Erfüllungsgraden das Ziel 2. Es wurde nach dem Sachstandsbericht für 2024 mit zwei Kreuzungen zu 100% erreicht. Das fanden wir bemerkenswert und erfreulich, doch dann haben wir uns das genauer angeschaut: 

Das Ziel 2 der durch den Rat der Stadt bestätigten Forderungen des Bürgerbegehrens RadEntscheid Essen lautet eigentlich auf drei Kreuzungen pro Jahr ab 2022. Mit zwei von drei umgebauten Kreuzungen in 2024 wären das eigentlich nur 66,66% Erfüllungsgrad. 

In der Verteilung der Maßnahmen auf die Laufzeit stehen für 2024 aber nur zwei, die drei dann ab 2025, ab 2029 sogar vier.

Der Wortlaut mit den drei Kreuzungen findet sich jedoch auch im Sachstandsbericht selbst auf der zweiten Seite, in der Tabelle der Erfüllungsgrade auf der zehnten Seite stehen zwei Kreuzungen als Ziel. Nun gut, da kann man ja schon mal durcheinander kommen, wichtig ist ja das Ergebnis auf der Straße.

Welche beiden Kreuzungen wurden also in 2024 umgebaut? Im Sachstandsbericht stehen diese auf Seite vier:

  • Immelmannstraße / Huestraße Erneuerung LSA
    • Im Rahmen der Erneuerung der Lichtsignalanlage an der Kreuzung Huestraße/Immelmannstraße wurde der Knoten für den Radfahrenden angepasst. Die bauliche Umsetzung konnte in 2024 abgeschlossen werden.
  • Willhelm-Nieswandt-Allee / Karlstraße
    • Der Beschluss zum Bau und Baubeginn (0869/2023/6) wurde im Juni 2023 durch den Rat der Stadt getroffen. Der Baubeginn ist im Jahr 2024 erfolgt. Mit einer Fertigstellung und zudem mit der Beseitigung einer Unfallhäufungsstelle ist bis spätestens Anfang 2025 zu rechnen.

Die Kreuzung Willhelm-Nieswandt-Allee / Karlstraße wurde also in 2024 gar nicht fertig, wird aber dennoch mit 100% in die Zielerreichung aufgenommen. Das ist aus unserer Sicht nicht korrekt, die Kreuzung sollte entweder anteilig zu ihrem Fertigstellungsgrad im Jahr 2024 in die Zielerreichung desselben Jahres eingehen oder, der Einfachheit halber, erst im Jahr ihrer kompletten Fertigstellung anhand der Kriterien des Ziel 2 aufgeführt werden. Dann wären es also 50% Erfüllungsgrad für 2024, gingen wir von den drei Kreuzungen auf der Seite zwei aus, sogar nur 33,33%.

Apropos: Wie viel Fertigstellung einer Kreuzung nach dem Ziel 2 kann man denn der erneuerten Ampel an der Kreuzung Immelmannstraße / Huestraße zurechnen? Wurde die Kreuzung dadurch vollumfänglich für Radfahrende angepasst? Wir finden: Nein!

Es gibt an einer der drei Ampelanlagen der Kreuzung nun eine Ampel für Radfahrende. Dazu wurde eine Markierung auf die Fahrbahn gemalt.

(Foto: Dennis Wegner)

Es gibt an der Kreuzung keine Radwege, keine Schutzstreifen, keine Wartezonen. Die Abbiegegeschwindigkeit der Kfz wird durch keinerlei Maßnahmen reduziert. Die Signalisierung minimiert keine Wartezeiten für den Radverkehr und räumt diesem überhaupt keinen Vorrang ein. So löblich die Erneuerung der Ampelanlage aus dem Jahr 1980 auch sein mag – eine für den Radverkehr umgebaute Kreuzung sieht in unseren Augen anders aus. Das kann so kein vollumfänglicher Umbau sein und damit auch nicht vollumfänglich auf die Erreichung des Ziels 2 einzahlen.

Das haben wir bereits anlässlich der Dialogveranstaltung im März 2024 angemerkt und uns auch noch einmal schriftlich erkundigt. Verblüffend ist, dass die für den Sachstandsbericht verantwortliche Beigeordnete Frau Raskob sich im April 2024 dieser Sichtweise angeschlossen hat. Sie schrieb:

Dieser Umbau stellt nicht den Idealumbau gemäß Ziel 2 des RadEntscheids dar, war aufgrund der vorliegenden Randbedingungen jedoch die bestmögliche Verbesserung der Gesamtsituation am Knotenpunkt und zahlt auf die Ziele des RadEntscheids ein, jedoch nicht in dem Umfang wie ein vollumfänglicher Knotenpunktumbau.

Der Umbau der Kreuzung Immelmannstraße / Huestraße ist also nicht vollumfänglich, der Umbau der Kreuzung Willhelm-Nieswandt-Allee / Karlstraße nicht abgeschlossen.

Die Zielerreichung von 100% für das Ziel 2 nachzuvollziehen fällt uns an dieser Stelle sehr schwer.

Auf eine weitere Anfrage zur Erläuterung der Zielerreichung vom 06. Juni 2024 und die Bitte um Bekanntgabe von objektiven Kriterien zur Bewertung eines Kreuzungsumbaus im Sinne des Ziels 2 des RadEntscheids Essen vom 03. Januar 2025 haben wir leider keine Antwort mehr erhalten.

Und das Ziel 3?

Wir haben uns kurzzeitig über die Ankündigung gefreut, dass ein Standard für Fahrradzonen erstellt wurde. Ist doch ein Unterziel “50 % der bestehenden Tempo-30-Zonen werden in Fahrradzonen i. S. der StVO-Novelle 2020 umgewandelt”.

Wir sind sehr daran interessiert, welche Unterschiede der Essener Standard zum einschlägigen “Leitfaden Fahrradstraßen” der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW e.V. (unterstützt vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen) oder zum Fachbuch von Thiemo Graf “Fahrradstraßen und Fahrradzonen” vorsieht.

Wir waren nicht die einzigen Interessierten – und irgendeine Person hat über fragdenstaat nachgefragt. Ergebnis: “… aus der bisherigen verwaltungsinternen Befassung mit dem Thema noch keine über die in der Vorlage benannten Informationen hinausgehenden Planungsstandards festgelegt werden konnten”.

Aber die Fahrradstellplätze? 

Nicht nur wurde kein einziger Stellplatz an Bahnhöfen geschaffen. Es ist noch viel schlimmer. Das Fahrrad-Parkhaus (Radstation) am Hauptbahnhof wurde geschlossen (minus 245 Stellplätze). Dazu fehlen aktuell ca. 50 bis 60 weitere Fahrradbügel (am Hauptausgang sowie am Willy-Brandt-Platz vor der Post und am Abgang Rolltreppe Königshof). Statt plus 350 sind wir also bei etwa minus 300. Gerade am Hauptbahnhof wäre es wichtig, dass die Stadt schnell für attraktiven Ersatz in Form eines Fahrrad-Parkhauses sorgt.

Was bleibt zu tun?

Wir fordern von der Stadtverwaltung und der Politik, insbesondere von Oberbürgermeister Thomas Kufen und der CDU:

  1. Transparenz: Veröffentlichung der tatsächlich verausgabten Mittel sowie der Kriterien zur Beurteilung der Zielerreichung.
  2. Verbindlichkeit: Klare Fristen für die Umsetzung der im ersten Quartal 2025 angekündigten Vorlagen.
  3. Engagement: Eine sichtbare und messbare Beschleunigung des Radwegebaus.
  4. Klare Aussagen: Wann werden die – laut der beschlossenen Umsetzungsstrategie – geplanten und in den letzten Jahren nicht (um)gebauten Radwege, Kreuzungen und Radabstellanlagen nachgeholt und bis wann soll deren Umsetzung erfolgen?

Es ist an der Zeit, dass der Ratsbeschluss zum RadEntscheid nicht länger ein Lippenbekenntnis bleibt. Der Klimaschutz, die Verkehrswende und eine lebenswertere Stadt Essen können nicht länger warten!

Du möchtest etwas tun für die Umsetzung des RadEntscheides ? Hier ein paar Möglichkeiten:

  • Schreibe an den Oberbürgermeister oder an Kommunalpolitiker*innen, fordere Sie auf den politischen Beschlüssen endlich Taten folgen zu lassen
  • Schreibe einen Leserbrief an die Zeitung oder setze Dich in sozialen Medien für den Ausbau der Radwege ein
  • Mach mit beim RadEntscheid, schreib uns: https://radentscheid-essen.de/kontakt/
  • Spende für den RadEntscheid: https://radentscheid-essen.de/spenden/

Danke für eure Unterstützung und euren Einsatz für eine bessere Mobilität!

Euer Team vom Bürgerbegehren RadEntscheid

Kategorien: Aktuelles

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