Gut besucht war unser diesjähriges Film-Event in der Alten Cuesterey in Borbeck. Das International Cycling Film Festival (ICFF) und seine Initiatoren und Veranstalter sind offenbar Publikumsmagneten. Prof. Dr. Gernot Mühge und Friedbert Rogge führten sehr kurzweilig durch den Abend mit einer Kostprobe ihres umfangreichen Kurzfilm-Archivs zum Thema Fahrrad. Lebhafte Diskussionen entstanden nach den jeweiligen Filmen mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten.
Der Einstieg mit „3 Way Street“ war ein Schocker: Er zeigt eine große Kreuzung (in den USA) aus der Vogelperspektive, wo offenbar alle Verkehrsteilnehmer ohne Beachtung von Ampeln und Regeln sich irgendwie durchschlängeln. Kritische Situationen sind mit Rahmen versehen und sorgen für Luftanhalten schon beim Zuschauen. – Im Vergleich dazu fühlt sich die Fahrradinfrastruktur in Essen fast sicher an.
Eher bedrückend ist „Tigersprung“ (D 2017) über den von der Gestapo mutmaßlich ermordeten Bahnfahrer Albert Richter, Namensgeber für den Filmpreis „Souvenir Albert Richter“, der seit 2019 vom ICFF an den besten Rennradfilm des Festivals vergeben wird.
Ein positives Beispiel für ehrenamtliches soziales Engagement unter Radfahrenden zeigt „Bikekitchen“ aus Wien: Aus gratis Hilfe beim Reparieren von Fahrrädern wuchs in einem alten Fabrikgebäude ein Treffpunkt für Radler*innen aus allen „walks of life“, Ersatzteile und gespendete alte Räder sammeln sich, man kocht und isst gemeinsam und pflegt Kontakte. Und das gibt es in vielen Städten mit Fahrradkultur. – Da können wir stolz sagen, dass es in Essen bereits Ansätze dazu gibt: Die Fahrrad-Selbsthilfe-Werkstatt im Fachgeschäft für Stadtwandel bietet am 2. und 4. Samstag im Monat von 11:00 bis 15:00 Uhr Anleitung zu Reparaturen, und ebenfalls in Katernberg findet zweimal im Monat eine statt.
Am meisten Diskussion regte „White Eye“ an: Ein heftiger Gewissenskonflikt für einen Fahrradbesitzer, der sein gestohlenes Rad zufällig wiedersieht. Der neue Besitzer, ein „illegaler“ Einwanderer in „prekärer“ Beschäftigung, versichert, dass er es von jemand käuflich erworben hat, es dringend benötigt, um sein Töchterchen zur Kita zu bringen, und bietet an, es gegen den Kaufpreis zurückzugeben. Doch der ursprüngliche Besitzer beharrt auf seinem „Recht“, woraufhin die hinzugezogene Polizei den armen „Illegalen“ verhaftet und (vermutlich) deportiert.
„Unter Wasser“ mit einem Grußwort der Regisseurin zeigt eine junge Frau, die ihren Alltag mithilfe ihres Fahrrads locker und frei gestaltet, trotz Arbeit wirkt sie wie im Urlaub. Doch am Ende des Tages sieht man sie ihr Fahrrad eine beleuchtete Straße entlang tragen, unklar ist, ob sie eine Panne hatte. Als ein dunkler Wagen anhält und ihr die zwei männlichen Insassen („Polizei“) Hilfe/Mitnahme anbieten, reagiert sie sehr abweisend. Als Zuschauer versteht man nicht, ob es sich wirklich um Polizisten handelt. Jedenfalls versperrt ihr der Wagen den Weg, einer der Typen steigt aus, packt die Frau am Hals und drückt sie gegen den Zaun. Schließlich lässt er von ihr ab, als sein Kumpel ihn zurückruft, und der Wagen braust davon. Am Schluss sieht man die Frau zu Hause, wie sie so wütend ist, dass sie ihrer Mitbewohnerin nicht mal erzählen kann, was ihr widerfahren ist. Mit einem Wutschrei schleudert sie die Pfanne samt Abendessen aus dem Fenster.
Scheinbar fröhlich beginnt der kunstvolle Zeichentrickfilm „Bendito Machine IV – Fuel the Machine“, aber die Handlung wird immer finsterer – zu nah an der Realität von Ausbeutung unserer Ressourcen auf der Erde; das Lachen bleibt einem in der Kehle stecken und der Film endet mit einem Knalleffekt.
Den lustigen Abschluss bildete „Benztown“, wo regelwidriges Verhalten von Autos mal gebührend bestraft wird – von Häusern, Tunneln oder Ampeln, die lebendig werden.
Die Zuschauer waren sich einig, dass so ein Abend mit vielen Gelegenheiten zur Reflexion gern wiederholt werden sollte.
Mehr Infos unter: International Cycling Film Festival – Wikipedia und International Cycling Film Festival.