Am 26.8.2025 jährt sich zum fünften Mal der Beschluss des Essener Stadtrates, sich dem Bürger*innenbegehren RadEntscheid Essen anzuschließen. Grund genug, auf die Bilanz zu schauen und zu fragen, was erreicht wurde und was noch aussteht. Spoiler Alarm: wie kaum eine/n überraschen wird, ist die Bilanz äußerst dürftig.
Gesamtbewertung (2022–2024):
Die Umsetzung des RadEntscheids in Essen verläuft aus Sicht des Bürger*innenbegehrens schleppend und unzureichend. In den vergangenen fünf Jahren wurden die meisten der vereinbarten und vom Rat der Stadt Essen mit großer Mehrheit beschlossenen Ziele verfehlt. Kritik richtet sich insbesondere an die Stadtverwaltung, den Stadtrat – hier insbesondere die CDU sowie Oberbürgermeister Kufen (CDU), denen mangelndes Engagement bei der Umsetzung der eigenen städtischen Ziele für die Mobilitätsentwicklung vorgeworfen wird.
Jahr 2022:
- Zielverfehlung: 9 von 11 Handlungsfeldern nicht erreicht.
- Umgesetzte Maßnahmen: Nur zwei Einbahnstraßenöffnungen und ein Kreuzungsumbau.
- Qualitative Mängel: Viele Maßnahmen entsprechen nicht den Standards des RadEntscheids.
- Kritik: Intransparente Projektpriorisierung, Budget wird auch für Kfz-fokussierte Straßensanierungen genutzt.
- Forderung: Realistische Priorisierung, mehr Tempo, Transparenz und Fokus auf sichere, durchgängige Radinfrastruktur.
HIer findet ihr die ausführliche Stellungnahme zur Bilanz 2022.
Jahr 2023:
- Umgesetzte Infrastruktur: Nur 5,7 km neue Radwege statt der vorgesehenen 25 km pro Jahr.
- Zielerreichung:
- Durchgängiges Radnetz: 29 %
- Sichere Kreuzungen: 0 %
- Neue Fahrradstraßen/-zonen: 0 %
- Aufwertung bestehender Fahrradstraßen: 50 %
- Radwege an Hauptstraßen: 18 %
- Lichtblick: Umbau der Huyssenallee – einfach, kostengünstig, wirksam.
- Kritik: Symbolpolitik statt echter Fortschritte, fehlender Mut für schnelle Lösungen.
- Forderung: Deutlich mehr Umsetzung auf der Straße, nicht nur auf dem Papier.
Ausführliche Einschätzungen des RadEntscheids zur Bilanz 2023 gibt es hier und zu den Planungen in 2024 hier.
Jahr 2024:
- Finanzierung: 19,51 Mio. Euro standen zur Verfügung – kaum ausgeschöpft.
- Umsetzung: Wenige Maßnahmen (z. B. Norbertstraße), keine neuen Radwege bei Straßenerneuerungen.
- Zielverfehlung: Kreuzungsumbauten weit unter Plan, Bericht der Stadt suggeriert fälschlich 100 % Zielerreichung.
- Kritik: Beschlossene Kürzung des Budgets für 2025 um die Hälfte (auf rund 15 Mio. €), mangelndes Engagement bei Politik und Verwaltung.
- Planungen: Einige positive Projekte (z. B. Heisinger Straße, Bocholder Straße), bleiben aber oft in Planungsphasen stecken.
- Forderung: Mehr Transparenz, verbindliche Zeitpläne, Beteiligung der Bürger*innen und ernsthafte Umsetzung.
Die ausführliche Einschätzung des RadEntscheids zur Bilanz 2024 findet ihr hier.
Fazit:
Die Bilanz nach fünf Jahren RadEntscheid ist aus Sicht der Initiative ernüchternd. Trotz politischer Beschlüsse fehlt es an echter Umsetzung, Qualität und Tempo. Der RadEntscheid fordert einen Kurswechsel: weniger Symbolpolitik, mehr Engagement für eine sichere, lückenlose und attraktive Radinfrastruktur – jetzt.
Wie die Bilanz zeigt, sind die messbaren Ziele des Ratsbeschlusses zum RadEntscheid deutlich verfehlt worden: 0–16% Zielerreichungsgrad – je nach Teilziel und je nachdem wie streng man rechnet – das ist ein äußerst schwaches Ergebnis! In Schulnoten ausgedrückt ist das eine glatte Sechs, ungenügend, Versetzung gefährdet.
Immerhin: Die Stadt hat zugesagt, dass die mengenmäßigen Ausbauziele des Ratsbeschlusses auf jeden Fall umgesetzt werden – auch nach 2030, und der beschlossene Finanzrahmen dafür in voller Höhe zur Verfügung steht. Dies wurde kürzlich nochmals in einem Gespräch zwischen RadEntscheid und Oberbürgermeister Thomas Kufen sowie Dezernentin Simone Raskob bekräftigt.
In den letzten beiden Jahren fällt zudem auf, dass zahlreiche Maßnahmen angekündigt wurden und in Planung sind, diese jedoch nicht den Gremien vorgelegt werden.
Aus unserer Sicht ist das Haupthindernis für die ungenügende Umsetzung daher ein politisches: Es fehlt am politischen Willen, insbesondere bei der CDU und Oberbürgermeister Thomas Kufen.
Angesichts der Tatsache, dass die CDU vor der letzten Kommunalwahl unbedingt den RadEntscheid noch in der letzten Sitzung der Legislaturperiode beschließen wollte, wie der damalige Fraktionsvorsitzende der CDU mit folgenden Worten unterstrichen hatte, ist das sehr verwunderlich:
Für Ratsherrn Uhlenbruch (CDU) steht es außer Frage, dass sich das Mobilitätsverhalten der Menschen verändert habe, und deshalb sei die heutige Beschlussfassung als Fortführung des bereits im letzten Jahr gefassten Beschlusses zum „Handlungskonzept Modal-Split 2035 – Mobilität neu denken“ nur folgerichtig. Es bestehe im Rat der Stadt große Einigkeit darüber, die Verkehrswende im Sinne einer klimafreundlichen und zukunftsfähigen Stadt zu schaffen und daher unterstütze seine Fraktion mit ganzem Herzen die Umsetzung der sieben Ziele für den Radverkehr (vgl. RatInformationsSystem)
Insofern fühlt sich die Bilanz der letzten fünf Jahre sehr stark nach einem Wortbruch und nicht eingelöstem Wahlversprechen von CDU und Oberbürgermeister Kufen an. Man hat damals zugesagt den RadEntscheid umzusetzen. In den folgenden Jahren und in einer Koalition mit den Grünen, in der sicherlich sehr viel möglich gewesen wäre in Sachen Radwegebau, hat sich die CDU dann aber vor allem gegen Radwege-Projekte eingesetzt. Immer ging es offensichtlich mehr darum, die vermeintlichen Interessen des Autoverkehrs zu schützen. Insbesondere Parkplätze.
Sei es bei Fahrradstraßen in Kettwig, der Fahrradzone in Rüttenscheid, nicht zuletzt auf der RÜ, bei der die CDU auf einem schlechten Kompromiss bestanden hat, mit dem die Stadt nun – erwartbar – vor Gericht Schiffbruch erlitten hat.
Ist es dem obersten Chef der Verwaltung nicht peinlich, wenn 24 der 28 speziell für die Umsetzung des RadEntscheids bewilligten Stellen besetzt sind – und nichts davon auf der Straße ankommt?

Nicht einmal bei Planung und Bau der Radschnellwege in Essen, die nicht in Flächen-Konkurrenz zum Auto stehen, sind echte Fortschritte zu vermelden. Hier könnte die Stadt ihre Planungshoheit und ihren Einfluss geltend machen, um durch gelegentliches Nachbohren die Abstimmung zwischen DB und Straßen.NRW zu beschleunigen, zumal letztere Baulastträger sind.