Sie konnte nicht rechtzeitig bremsen” – sie fuhr also zu schnell

Viele Presseberichte oder Polizeimeldungen klingen, als ob sie die Autofahrer*innen trösten möchten, dass sie trotz perfekter Reaktion keine Möglichkeit gehabt hätten, den Unfall zu verhindern. Das ist kein Wunder: Polizist*innen sind die Perspektive durch die Windschutzscheibe gewohnt und schreiben ihre Pressemitteilungen mit Routinefloskeln. Oft weiß man noch nicht genau, was passiert ist – die neutralen Floskeln bevorzugen aber oft die Sicht des*der Autofahrer*in. Dazu kommt, dass Radfahrer*innen sich bei Unfällen meist stärker verletzen und schon auf dem Weg ins Krankenhaus sind. Ihre Sicht des Unfallhergangs bleibt für die Pressemitteilung unberücksichtigt. Und Medienberichte übernehmen für kleine Artikel die Polizeimeldungen meist unhinterfragt. Dabei sind über die Jahre viele ungünstige Formulierungen entstanden, zum Beispiel:
1. Falsch: „Das Auto fuhr die Frau an.“
Richtig: „Die Fahrerin fuhr die Frau an.“ Noch fahren Autos nicht von selbst. Es sitzt immer jemand am Steuer und diese Person ist verantwortlich. In diesem Fall hat sie ihr Fahrzeug so gelenkt, dass es die Frau verletzte.
2. Falsch: „Der Fahrer konnte nicht mehr bremsen.“
Richtig: „Der Fahrer fuhr zu schnell.“ Angepasste Geschwindigkeit heißt, im Notfall rechtzeitig bremsen zu können. Auch in einer 50er-Zone darf man nicht zu jeder Zeit 50 fahren, sondern nur, wenn es Sicht, Wetter und Verkehr erlauben.
3. Falsch: „Der Radfahrer trug keinen Helm.“
Richtig: Diese Info gehört nicht in eine Pressemitteilung. Sie suggeriert, dass der Radfahrer mit Schuld ist. Radfahrer*innen erleben Unfälle aber nicht, weil sie keinen Helm tragen. Das ist Victim-Blaming.
Was könnt ihr dagegen tun? Bei den Redaktionen protestieren und in Leserbriefen oder in Kommentaren der Social-Media-Kanäle auf angemessene Formulierungen hinweisen. Weitere unangemessene Formulierungen zur Beschreibung von Unfallhergängen findest Du in diesem Glossar.

Quellen:
Mobilogisch – Texte mit Totalschaden
„Konnte nicht mehr bremsen“ – Wie Polizeimeldungen Autounfälle verharmlosen

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Kategorien: Aktuelles

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