Nach fünf Monaten intensiver Arbeit haben wir das Bürger*innenbegehren inklusive unserer 7 Ziele am Freitag, den 28. Februar 2020, öffentlich zur Kostenschätzung bei der Stadt Essen eingereicht.
Wie entstanden die Ziele?
Es gab Workshops, dutzende Treffen in den Arbeitsgruppen, Termine, Telefonate und Mails zur Abstimmung der Ziele mit Anwälten und Fachleuten. Als erster Radentscheid haben wir unsere Ziele direkt mit den Verfassern des Regelwerks ERA (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen) abgestimmt – dafür gab es bereits positives Feedback aus verschiedenen Richtungen! Das Ergebnis ist, dass unsere Ziele schon jetzt mit der in Kürze anstehenden Neuauflage der ERA konform sind und demnach auch einvernehmlich mit der Stadtverwaltung abgestimmt werden konnten.
Das Ergebnis sind die sieben Ziele des RadEntscheid Essen.
Ein Bürgerbegehren muss laut Gesetz (GO NRW, § 26) außerdem immer die zur Entscheidung zu bringende Frage sowie eine Begründung enthalten.
Die Unterzeichnenden beantragen, folgende Frage zum Bürger*innenentscheid zu stellen:
„Soll die Stadt Essen die folgenden 7 verkehrspolitischen Ziele in den nächsten 9 Jahren umsetzen?“
Begründung:
Wir wollen eine lebenswerte und klimafreundliche Stadt, in der sich alle Menschen sicher und konfliktfrei bewegen können. Dafür brauchen wir den Ausbau der Rad-Infrastruktur. Sicherheit und Attraktivität für Fuß- und Radverkehr müssen dabei stets an erster Stelle stehen.
Obwohl der Rat in der Vergangenheit Konzepte und Pläne für den Radverkehr beschlossen hat, unternimmt er aus unserer Sicht zu wenig. Die Rad-Infrastruktur erleben wir oft als mangelhaft und risikoreich. Das hält viele vom Radfahren ab.
Mit unseren Zielen fordern wir daher eine signifikante Erweiterung und Verbesserung der Rad-Infrastruktur.
Wir erwarten vom RadEntscheid Essen weniger Stress, Lärm und Abgase im öffentlichen Raum sowie ein entspannteres Miteinander, ein gesünderes Stadtklima, bezahlbare Mobilität und mehr Lebensqualität für alle.
Für die folgenden Ziele gilt:
Keine der Maßnahmen soll zu Lasten des Fußverkehrs umgesetzt werden, vielmehr wird eine Neuordnung des heute vom Pkw-Verkehr beanspruchten öffentlichen Raums erforderlich. Bestehende Planungen von Radverkehrsanlagen – ausgenommen bei Bebauungsplänen und Planfeststellungen – sollen vor der Realisierung angepasst werden, sofern sie nicht die u. g. qualitativen Anforderungen erfüllen.
1. Durchgängiges Netz für den Alltagsradverkehr ausbauen
Das Radhauptrouten- und Ergänzungsnetz der Stadt Essen wird unterbrechungsfrei, vom Fußverkehr getrennt und durchgängig beleuchtet ausgebaut.
Planung und Ausbau erfolgen gem. den jeweils gültigen Regelwerken, insb. den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA). Ab 2022 werden jährlich 10 km dieses Netzes auf den o. g. Standard gebracht. Lücken im Radhauptroutennetz werden dabei priorisiert.
2. Kreuzungen sicher umbauen
Ab 2022 werden jährlich 3 Kreuzungen im Radhauptrouten- und Ergänzungsnetz mit Priorität auf Sicherheit und zügiges Vorankommen für Fuß- und Radverkehr nach folgenden Grundprinzipien umgebaut:
Radfahrende sind im Sichtfeld des Kfz zu führen und erhalten Wartezonen im vorgelagerten Sichtbereich. Die Abbiegegeschwindigkeit der Kfz wird durch den Abbiegewinkel verringert, z. B. durch Schutzinseln oder Rückbau/Anpassung von „freien“ Rechtsabbiegefahrstreifen für Kfz. Die Signalisierung minimiert Wartezeiten für den Radverkehr und räumt diesem Vorrang ein, abgesetzte Radverkehrsfurten werden durch eigene Ampelphasen gesichert.
Umbaupriorität haben Kreuzungen mit besonderem Gefährdungspotenzial.
3. Fahrradstraßen und -zonen einrichten, Einbahnstraßen öffnen
25 km bestehende Fahrradstraßen werden gem. Typ “Modellstadt Essen” (Lead City) ausgestaltet und weitere 25 km neue Fahrradstraßen eingerichtet. 50 % der bestehenden Tempo-30-Zonen werden in Fahrradzonen i. S. der StVO-Novelle 2020 umgewandelt. Bei unverträglichen Verkehrsmengen werden Kfz-Durchgangsverkehre in Fahrradstraßen und -zonen unterbunden.
Einbahnstraßen werden mit dem Ziel überprüft, weitere 100 für den Radverkehr in Gegenrichtung freizugeben.
4. Sichere Radwege an Hauptstraßen anlegen
Zusätzlich zu Ziel 1 werden an Hauptverkehrsstraßen im Radhauptrouten- und Ergänzungsnetz jährlich 8 km Radwege oder Radfahrstreifen mit wenigstens folgenden Regelbreiten angelegt: Radschnellverbindungen 3,0 m, Radhauptverbindungen 2,50 m und Basisnetz 2,0 m.
Radverkehrsanlagen werden vor Befahren, Halten und Parken durch Kfz geschützt, z. B. durch Borde oder Markierungsnägel, und sind vom Fußverkehr getrennt zu führen.
5. Radwege durchgängig und einheitlich gestalten
Neue oder zu sanierende Radfahrflächen sind in Konflikt- und Kreuzungsbereichen deutlich durch eine rote Farbe (z.B. farbiger Asphalt) vom übrigen Straßenraum abgesetzt.
Geh- und Radwege sind räumlich voneinander getrennt, min. durch 30 cm taktile Streifen. Radwege sind durchgängig, sicher und zügig befahrbar. Ihre Führung ist unterbrechungsfrei. Bordsteine quer zur Fahrtrichtung sind auf 0 cm abgesenkt. Bevorrechtigte Geh- und Radwege werden jeweils niveaugleich weitergeführt und sind optisch sowie baulich eindeutig hervorgehoben oder der Radweg wird als Radfahrstreifen weitergeführt.
6. Fahrradstellplätze ausbauen
Die Stadt Essen errichtet zusätzliche Fahrradstellplätze:
a) 4.000 Stellplätze in bewachten Fahrradparkhäusern oder als Fahrradboxen an Bahnhöfen mit hohem Pendleraufkommen.
b) 2.500 überdachte, beleuchtete Stellplätze an weiteren Bahnhöfen und Haltestellen.
c) 5.000 Stellplätze an Schulen, Sportstätten, in Einkaufsstraßen und Wohnquartieren vorrangig durch Umwidmung von PKW-Stellplätzen.
d) 500 Stellplätze für Lastenräder.
7. Mobilitätswende konsequent und transparent fördern
Die Stadt Essen verfolgt die den Radverkehr betreffenden Ziele der Öffentlichkeitsarbeit gem. dem in ihrem Handlungskonzept Modal-Split 2035 genannten Umfang. Sie stellt die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung.
Ein schriftlicher Bericht über den Umsetzungsstand der vorgenannten Ziele und über die städtische Akquise von Fördermitteln zu deren Realisierung wird jährlich in einer öffentlichen Dialogveranstaltung vorgestellt.